Montag, 11. November 2013

Langweilig

Hallo zusammen!

Heute lasse ich einfach mal die Worte für sich sprechen...

Liebe Grüße,

Eure Ding(s)

Langweilig

Warum war das Leben nur so langweilig? Warum tat sich niemals eine Gelegenheit auf? Warum konnten ihr nicht einmal die großen Dinge zufallen? Deprimiert lehnte Sophie ihren Kopf an das Fenster des Busses und schaute nach draußen. In schrägem Winkel rasten die Tropfen geradezu an der Scheibe hinab. Es schüttete schon die ganze Woche – die Sonne hatte sie in diesem grauen November auch noch nicht gesehen. Innerlich seufzte sie. Warum, warum nur war alles so unaufregend, so gleichmäßig, so langweilig.

Immer waren es die Anderen, die von den Alltagsabenteuern erzählten, von Urlaubsliebschaften und auch den unliebsamen Zwischenfällen. Sophie selbst konnte dann immer nur begeistert zuhören und nachfragen. Wo genau hatte man denn den süßen Kroaten getroffen und wie hatte sich das Ganze weiterentwickelt? Konnte man ohne Reisepass aus Indien noch ausreisen? Sie hatte ja keine Ahnung, wie das so wahr, sie konnte sich lediglich die Nervosität und Angst der Erzählenden vorstellen. Das konnte sie sogar sehr gut nachempfinden. Die Gefühlswelt ihrer Mitmenschen waren für sie eine Art offenes Buch, mit einigen empathischen Fragen konnte sie die Leute dazu bewegen, ihre intimsten Geheimnisse zu erzählen. Ohne das es seltsam oder abgeschmackt klingen mochte. Nachfragen, ja das war ihr Metier.

Deswegen saß sie ja jetzt überhaupt in diesem klammen, übervollen Bus mit ungeduldigen Schülern und Angestellten, die es nicht erwarten konnten, in der Dunkelheit endlich in ihre heimatlichen Schlupflöcher zu verschwinden. Immer suchte sie sich einen Sitzplatz, am liebsten die am Fenster. Und immer stellte Sophie sich dann dieselben Fragen. Warum war das Leben so wie es eben war? War es das richtige für sie? War sie glücklich damit? Würde sie damit glücklich werden können? Und könnte sie ihre Träume verwirklichen? Nüchtern wie Sophie in ihrer Art war, malte sie sich jedoch meistens die schlimmsten Szenarien aus, in denen keiner ihrer Pläne, Wünsche oder Hoffnungen in Erfüllung gehen würde. Und das, obwohl sie gar keine ausufernden hatte.

Sie wünschte sich doch lediglich ein glückliches, eher durchschnittliches Leben mit einem liebenden Menschen an ihrer Seite, in einem schönen Heim und vielleicht auch mit ein paar Kindern – oder Tieren. Das wollte sie dann doch noch nicht zu genau fassen. Wenn Sophie es sich genau überlegte, dann würde sie nicht nur Juristin werden, sondern auch Richterin an einem der oberen Gerichte. Erfolgreich würde sie dort sein und alle ihre Kollegen würden sie mögen und bewundern. Außerdem hätte sie noch so viel Freizeit, dass sie viel mit ihrem Mann unternehmen könnte; Ausflüge, Theaterbesuche und Zeit für Zweisamkeit kamen in ihrer Fantasie vor. Natürlich hätte sie trotz allem immer noch genügend Kraft, um ihrer großen Leidenschaft, dem Malen, nachzugehen.

Oft würde sie nachmittags dann in ihrem eigenen kleinen Atelier sitzen und einfach nur malen. Schöne Dinge wollte sie malen, alles ganz realistisch und einfach und ästhetisch. Vielleicht würde ein Freund einmal auf die Bilder aufmerksam werden und ihr raten, sie doch dringendst einmal auszustellen. Sophie würde sich dagegen selbstverständlich erst einmal wehren, doch tief in ihrem Innersten wäre sie sehr geschmeichelt und würde sich freuen, dass tatsächlich jemand ihre Bilder ausstellenswert empfand. Ein bisschen unsicher würde sie sich also bei der nächsten Galerie mit ihrem Portfolio vorstellen – aber auch die Galeristin wäre vollkommen vereinnahmt von den Kunstwerken und würde sie bei nächster Gelegenheit unter allen Umständen ausstellen wollen. Eine malende Juristin! Was das für eine Sensation sein würde! Alle Zeitungen würde dieses Kuriosum aufgreifen, zunächst noch ein wenig skeptisch, nach Eröffnung der Ausstellung aber umso begeisterter. Erste Kaufwünsche würden geäußert werden und Sophie würde ob der Preisvorstellungen stark erröten und erst einmal nach Worten suchen. Und stolz wäre sie. Wie Oskar. Ihre Bilder nicht nur in einer eigenen Ausstellung, sondern sogar verkauft! Ein wirklicher Traum!

Auf diese erste würde selbstverständlich noch eine zweite folgen und auch zu einer dritten würde sie die Galeristin drängen, es seien schließlich noch so viele potenzielle Kunden, die bereits nach einem großen Werk der neuen Künstlerin gefragt hätten.. Sophie würde viel Geld an der Sache verdienen und sich ein schönes großes Haus für ihre Familie leisten. Mit einem großen Atelier und einem riesigen Garten, der sie zu weiteren Bildern inspirieren sollte. Es würde einfach nur perfekt sein...

Doch was genau würde sie überhaupt malen? Diese Frage schoss Sophie durch den Kopf. Was für eine Art Malerei wollte sie denn betreiben? Wer könnte sie denn dauerhaft motivieren? Hätte sie neben ihrer richterlichen Tätigkeit überhaupt Zeit für ihr Hobby? Und die Familie? Wollte die nicht auch Aufmerksamkeit von ihr? Gerade falls sie Kinder bekommen würde, wäre sicherlich keine Zeit mehr fürs Malen da.

Deprimiert schaute Sophie die grauen Häuserwände an, die am Fenster vorbeizogen. Wie in ihren Träumen würde es wohl doch nicht werden. Für faszinierende Bilder war sie viel zu durchschnittlich – und zu langweilig.

1 Kommentar:

  1. Ich weiß nicht, ob ich den Titel "Langeweile" gewählt hätte... ich finde ihn an der Stelle nicht so ganz passend. Eher so etwas in die Richtung "Das Klammern an eine Seifenblase" oder hmja,... etwas kurzes und knackiges fällt mir nicht ein.
    Dennoch denke ich, dass wir so etwas doch alle kennen... dass man sich einfach in eine andere Realität träumt und sich die tollsten Dinge erhofft. :-)

    Liebe Grüße
    Neomai

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