Sonntag, 28. April 2013

Das gymnasiale Niveau

Hallo zusammen!

Bei mir geht immer noch alles drunter und drüber, ich habe bis eben noch Texte für die Uni gelesen und bearbeitet. Ihr könnt euch vorstellen, wie es also gerade bei mir so abläuft. Entschuldigt deswegen bitte auch, dass ich auch die nächste Woche nicht so sehr viel schreiben kann.

Heute möchte ich euch mit einem kleinen Essay zu einem bildungstheoretischen Thema beehren. Ja, man merkt, dass ich angehende Lehrerin bin, aber angeregt dazu wurde ich dieses Wochenende durch ein Fachdidaktik- Seminar, das ich gerade besuche. Sicherlich habt ihr auch eine Meinung zu diesem Thema, daher lasst sie ruhig da. Vielleicht bietet sich das Ganze ja für eine kleine Reihe von Bildungsthemen an?

Egalisierung des Gymnasiums

Mit der Egalisierung des Gymnasiums meine ich in diesem speziellen Fall die Tatsache, dass immer mehr Kinder nach der Grundschule auf das Gymnasium wechseln. Hier in Baden- Württemberg betrug die Übertrittsrate im Schuljahr 2011/12 sage und schreibe 43,9%, was bedeutet, das fast die Hälfte dieses Jahrgangs zu der Spitzengruppe gehören sollte.

Doch halt mal. Kann das Sinn machen? Halten wir uns einmal vor Augen, wie das dreigliedrige Schulsystem ursprünglich einmal gedacht war. Da war die Hauptschule die Basis für alle gängigen Ausbildungen, es war relativ normal, dort seinen Abschluss zu machen. Für die besseren Schüler gab es die Realschule, den mittleren Abschluss, mit dem einen die etwas höheren und komplizierteren Positionen offen standen. Und für die Begabten gab es das Gymnasium – schwierig, elitär und überhaupt etwas Besonderes. Nur wenige Kinder eines Jahrgangs wechselten auf diese Schulart über. Es war schlicht unnötig und eine Tortur für die Kinder, die doch sowieso viel lieber spielten und sich herzlich wenig um Schulnoten kümmerten.

Doch dann kam das 21. Jahrhundert. Technisierung, Bildungsideale und Leistungsgesellschaft haben dieses alte Bild der Schulbildung verändert. Heute kann man sich mit einem Hauptschulabschluss fast nirgends mehr bewerben – und wenn, wird man mit ziemlicher Sicherheit mit einem höflichen, aber bestimmten Absageschreiben belohnt. Wenn es das die Firma überhaupt noch wert war. Realschule gilt als absolutes Mindestmaß, das ein Kind erreichen muss. Aber auch nur, wenn es einen 2er Schnitt (mindestens!) vorweisen kann. Und danach macht es am besten noch an einem beruflichen Gymnasium sein Abitur nach. Damit es im Wettbewerb auch Chancen hat, sich durchzusetzen. (Achja, diese Abiturienten sind oben gar nicht mitgezählt! Die kommen noch zusätzlich dazu...).

Standard wird das Gymnasium. Wer auch nur irgendetwas auf sich hält, schickt sein Kind – wie könnte es auch anders sein – dortin. Am besten eines, mit einem perfekt abgestimmten Bildungsangebot, in dem das Kind nicht nur eine besondere asiatische Kampfsportart erlernen, sondern im Orchester auch Oboe und in der AG Theater spielen kann. Das es dann auch neben Englisch, Latein und Französisch noch Portugiesisch lernen kann, versteht sich ja von selbst. Doch durch die vielen Kinder, die diese Schulart besuchen, ergeben sich neue Probleme.

Es liegt in der Natur der Dinge, dass nicht plötzlich 44% eines Jahrgangs zu den Besten gehören können. Selbstverständlich kann dann ein großer Teil der Schüler den Schulstoff nicht schnell genug oder überhaupt nicht erlernen. Was macht man nun? Es bleiben zwei Möglichkeiten: Entweder man schult diese Kinder auf die Realschule ab, sodass das Gymnasium wieder auf seinen ursprünglichen Klientel (den wirklich begabten Kindern) zurückgeführt wird, oder – was nun der Fall ist – man befriedigt die Wünsche der helicopter parents und senkt das Niveau des Gymnasiums, um alle Schüler weiterhin erfolgreich beschulen zu können.

Das Resultat? Das Abitur ist nicht mehr, was es einmal war. Es verlassen junge Erwachsene mit einem mäßigen Abitur die Schule, obwohl sie nicht einmal annäherungsweise verstanden haben, was sie dort eigentlich gelernt haben. Dass dieses Abitur, das sie mit ins Leben nehmen, nicht mehr das ist, was es einmal war. Dass dieses Abitur inzwischen auf dem Niveau der Realschulprüfungen von vor einigen Jahren gelandet ist.

Letzteres ist leider kein Witz und auch keine Erfindung meinerseits. Ab 2014 findet man unter den verbindlichen Pflichtlektüren des schriftlichen Abiturs im Fach Deutsch in Baden- Württemberg Max Frischs Homo faber . Selbiges war im Jahr 2009 die Prüfungslektüre für die Mittlere Reife. Moment mal, möchte man da sagen. Wie kann das sein, dass nur fünf Jahre später eine Realschullektüre, die im Übrigen in den Gymnasien in Klassenstufe 9/10 auch gelesen wird, zum Abiturniveau wird? Das kann doch nicht angehen? Welcher Mensch kam auf diese geistreiche Idee, diese Senkung des Niveaus nicht einmal durch zwei verschiedene Lektüren zu verschleiern?

Es ist also kein Gehirngespinst meinerseits, wenn ich sage, dass das Niveau des Gymnasiums stetig sinkt. Die Schwierigkeit der Schulart wird nicht – wie man aufgrund des technischen und generellen Fortschritts annehmen könnte – erhöht, nein, sie wird der breiten Maße verträglicher gestaltet und abgesenkt. Mit welchem Ziel? Dass möglichst viele Menschen das Abitur besitzen, das aber eigentlich nur dem Realschulabschluss entspricht und keine Basis mehr für eine akademische Bildung ist? Dass möglichst viele Menschen eine gleiche Ausbildung und damit gleiche Voraussetzungen haben? Das kann ja nicht Sinn des Ganzen sein. Die Menschen sind unterschiedlich und nicht jeder ist ein Kopfmensch. Wir brauchen sogar die Handelnden, denn ohne sie stehen wir in einigen Jahrzehnten ganz ohne Basis da. Dann haben wir nur einen Haufen halbgare Akademiker, die nicht einmal mehr wissen, wie man einen Nagel in die Wand schlägt. Na besten Dank auch liebes Kultusministerium.

Eine kurze Anregung für die Nacht, macht’s gut

Eure Ding(s)

1 Kommentar:

  1. Über diese Entwicklung habe ich mich auch schön öfter mit meinem Bekanntenkreis unterhalten. Zu meiner Zeit brauchte man in der Grundschule noch einen Durchschnitt der Hauptfächer von 1,5. Mittlerweile liegt er bei 2,5?
    Okay... 1 ganze Note nach unten. Könnte man ja meinen, das wäre nicht viel. In Anbetracht dessen, dass aber zumindest bei uns nur Deutsch und Mathe zählten (glaube^^), ist das dann doch ein recht heftiger Absacker.
    Der Politik kann ich also nicht im geringsten wohlgesonnen sein. Denn eigentlich bedeutet Abitur "lediglich", dass man dann auch (rein theoretisch) in der Lage ist ien Studium zu absolvieren. Angesichts dieser Entwicklung, wird ein Abitur dafür kaum noch ein ausreichender Nachweis sein...

    Liebe Grüße
    Neomai

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